Die Stärkung der Resilienz des Wissenschaftssystems gegen Hassrede und Wissenschaftsfeindlichkeit sowie die Verhinderung des Rückzugs von Wissenschaftler*innen und wissenschaftlichen Einrichtungen aus der öffentlichen Kommunikation waren die Ziele der Gründung des Scicomm-Supportes als nationale Anlaufstelle, der am 20. Juli 2023 seine Arbeit aufnahm. Nach dem ersten Jahr Arbeit der Anlaufstelle zeigt sich: Diese Ziele sind nach wie vor aktuell und relevant.
Erfahrungen aus dem ersten Jahr Beratungs- und Unterstützungsarbeit
Neben der persönlichen telefonischen Beratung mit sich anschließenden vielfältigen Kontaktpunkten z. B. per E-Mail und in Videokonferenzen stellt der Scicomm-Support Informationsangebote auf seiner Website zur Verfügung. Anfang dieses Jahres kamen Trainings und Workshops für Wissenschaftler*innen und Wissenschaftskommunikator*innen zum Umgang mit Anfeindungen, Hassrede und gezielten Angriffen hinzu.
Alle Unterstützungsangebote des Scicomm-Supportes sind vertraulich, unabhängig und – wenn gewünscht — auch anonym. Er möchte Personen einen Schutzraum bieten, wenn sie bei Angriffen und unsachlichen Konflikten im Rahmen ihrer Wissenschaftskommunikation Unterstützung benötigen. Dies haben bislang Wissenschaftler*innen und Wissenschaftskommunikator*innen aus zahlreichen Fachgebieten, beider Geschlechter (1) und aller Stufen der (wissenschaftlichen) Karriere angenommen. Die Angriffe finden online wie offline statt. Aus den Anrufen ergeben sich Fälle mit mal kürzerer, häufig mit längerer und aufwendigerer Betreuung – Tendenz steigend. Mehrere Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen berät und begleitet der Scicomm-Support seit mehreren Monaten. Zur Dokumentation und Steigerung der Beratungsqualität werden die Beratungsfälle sowie die Workshop- und Trainingsanfragen erfasst. Eine erste Statistik – unter Wahrung der Anonymität von Personen und Einrichtungen – wird der Scicomm-Support gegen Ende dieses Jahres veröffentlichen, da dann die Zahlen und Erfahrungswerte aus dem laufenden Betrieb auf eine verlässlichere Basis gestellt werden können.
Wissenschaftspolitische sowie bundes- und landespolitische Relevanz
Angriffe und unsachliche Konflikte in der Wissenschaftskommunikation haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Zum einen nehmen dies die wissenschaftlichen Einrichtungen – Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen – in Deutschland durch einen kontinuierlich gestiegenen Beratungs- und Unterstützungsbedarf wahr, zum anderen belegen dies wissenschaftliche Studien.
Die Bedeutung von Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation als eine der Grundlagen für demokratische Prozesse und evidenzbasierte Entscheidungen ist zudem Thema des am 13. Juni 2024 vom Bundestag angenommenen Antrages der Regierungskoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP “Wissenschaftskommunikation systematisch und umfassend stärken”. Der Scicomm-Support nimmt in diesem Antrag und den damit verbundenen Anhörungen und Beratungen eine zentrale Rolle ein.
Zukunft und weitere Ausrichtung
Es ist anzunehmen, dass Angriffe und Anfeindungen in der Wissenschaftskommunikation in absehbarer Zukunft weiterhin bestehen bleiben werden. Umso wichtiger ist, zu lernen, sich auf sie vorzubereiten, sie zu verstehen, mit ihnen umzugehen – und sich gegen sie zu wehren. Hierbei kann die Anlaufstelle auf die Unterstützung eines großen Netzwerkes aus Initiativen und Einrichtungen zählen. Aus Sicht des Scicomm-Supportes ist wichtig, alle Ressourcen – Expertise, Zeit und Finanzen – zu bündeln, um sichtbar geschlossen gegen Hass und Angriffe in der Wissenschaftskommunikation aufzutreten.
Neben der regelmäßigen Weiterentwicklung der Angebote des Scicomm-Supportes wird daher in den kommenden Wochen und Monaten die Arbeit an der finanziellen Nachhaltigkeit und langfristigen Verstetigung der Anlaufstelle im Mittelpunkt stehen. Zudem steht das Netzwerk, das sich für die oben genannten Ziele einsetzt, weiteren Initiativen und Einrichtungen offen. Zu beiden Punkten kann gern mit den Koordinator*innen des Scicomm-Supportes Kontakt aufgenommen werden.
Kontakt:
Matthias Fejes, Kristin Küter und Julia Wandt
Koordinator*innen des Scicomm-Supportes
hallo@scicomm-support.de
www.scicomm-support.de
(1) Es erfolgt keine Abfrage der Geschlechtsidentität, deswegen ist keine differenziertere Aussage in Bezug auf alle Geschlechter möglich.
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Faktenübersicht: Über den Scicomm-Support
Das Angebot des Scicomm-Supportes umfasst drei Bereiche:
(1) Eine persönliche telefonische Beratung (jeden Tag im Jahr, von 7 bis 22 Uhr unter +49 (0)157/92344804) auf Kommunikations-, rechtlicher und – bei Bedarf – psychologischer Ebene
(2) Informationsangebote auf der Website (vor allem ein Leitfaden zum Umgang mit Angriffen und unsachlichen Konflikten in der Wissenschaftskommunikation)
(3) Trainings und Workshops für Wissenschaftler*innen und Wissenschaftskommunikator*innen zum Umgang mit Gewalt, Hassrede und gezielten Angriffen – digital und offline
Das Angebot richtet sich gleichermaßen an Wissenschaftler*innen und Wissenschaftskommunikator*innen – in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Angriffe und unsachlichen Konflikte können online wie offline stattfinden. Alle Angebote stehen kostenlos zur Verfügung.
Der Scicomm-Support wurde im Herbst 2021 als gemeinsames Angebot vom Bundesverband Hochschulkommunikation (BV_HKOM) und Wissenschaft im Dialog (WiD) initiiert. Am 20. Juli 2023 nahm die Anlaufstelle ihre Arbeit auf. Bis dahin gab es ein solches Angebot im deutschen Wissenschaftssystem nicht. Die telefonische Beratung wird von ca. 25 Hochschul- und Wissenschaftskommunikator*innen aus dem Bundesverband Hochschulkommunikation heraus übernommen. Für die rechtliche Expertise arbeiten die Berater*innen mit einer renommierten Kanzlei und der Bucerius Law School zusammen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sind von Beginn an Partner des Scicomm-Supportes.
Über das Netzwerk des Scicomm-Supportes
Zum Medienecho des Scicomm-Supportes
Übersicht Studien:
[1] Eckes et al. 2018: #Hass im Netz: Der schleichende Angriff auf unsere Demokratie. Eine repräsentative Untersuchung in Hessen. Hrsg.: Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft.
https://www.das-nettz.de/publikationen/hass-im-netz-der-schleichende-angriff-auf-unsere-demokratie
[2] Nature (2021): ‘I hope you die.’ https://www.nature.com/articles/d41586-021-02741-x
[3] Science (2022): ‘In the Line of Fire’: https://www.science.org/content/article/overwhelmed-hate-covid-19-scientists-face-avalanche-abuse-survey-shows
[4] Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz (2024): ‚Lauter Hass – leiser Rückzug‘: https://kompetenznetzwerk-hass-im-netz.de/lauter-hass-leiser-rueckzug/
[5] Blümel, Clemens. 2024: Anfeindungen gegen Forschende: Eine repräsentative Studie des Projektes KAPAZ. Kurzdossier über die Berichterstattung. Hrsg: Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW): https://www.hiig.de/project/wissenschaftsfeindlichkeit-kapaz/