„Letztlich muss man Gegengeschichten erzählen“

Natalie Grams kommuniziert kritisch über Homöopathie. Dafür bekommt die Ärztin, die früher selbst Homöopathie praktiziert hat, viel Gegenwind. Trotzdem lohne es sich, sagt sie im Interview. Sie versucht, durch einen narrativen Ansatz Menschen persönlich anzusprechen und bedient sich dabei verschiedener Medien.

Foto: unsplash.com / Joshua Coleman

Frau Grams, Sie haben sich von einer überzeugten Anhängerin zur Kritikerin der Homöopathie entwickelt. Wie ist es dazu gekommen?

Ich war, übertrieben gesagt, in der Homöopathie gefangen. Die kritischen Informationen von außen habe ich über lange Zeit verdrängt und verweigert. Eigene Zweifel – weil ich die Wirkungsweise der Homöopathie nicht erklären konnte – führten zum Versuch, sie zu verteidigen. Irgendwann musste ich aber einsehen, dass die Kritiker und Kritikerinnen die besseren Argumente hatten. Mir wurde immer klarer, dass ich keine unwiderlegbaren Argumente für die Homöopathie finden konnte. So habe ich mich von der klaren Befürworterin immer mehr zur Kritikerin entwickelt. Als ich angefangen habe, mein bisheriges Wissen oder vielmehr meinen Glauben an die Homöopathie infrage zu stellen, war ich sehr froh über Angebote im Internet, die wissenschaftlich darüber berichtet und aufgeklärt haben. Am Wichtigsten waren dabei leicht verständliche Informationsplattformen wie www.gwup.org und www.beweisaufnahme-homoeopathie.de. Diesen Ansatz versuche ich heute aufzugreifen und noch einfacher und noch breiter fortzuführen.

Sie kommunizieren sehr aktiv und persönlich. Wen wollen Sie damit ansprechen?

Ich habe mit meinem Buch „Homöopathie neu gedacht“ den Wunsch gehabt, mit Homöopathen und Homöopathinnen ins Gespräch zu kommen. Auch wenn es natürlich schmerzlich ist, die eigene Lehre und den eigenen Lebensunterhalt so infrage zu stellen. Ich dachte, wenn ich das alles nicht wusste, wissen das meine Kolleginnen und Kollegen auch nicht. Dieser Ansatz ist grandios gescheitert. Mit „Nestbeschmutzern“ wie mir wollten sie nicht reden. Nachdem mir dieser Dialog, den ich mir sehr gewünscht hätte, nicht gelungen ist, entdeckte ich neue Gesprächspartner: die vielen Kritikerinnen und Kritiker, die über Homöopathie aufklären, die Skeptikerinnen und Skeptiker und Forschende. Aus dieser Situation heraus entstand das Informationsnetzwerk Homöopathie. Mit dem klaren Wunsch, mit den Menschen zu sprechen, die der Homöopathie vertrauen.

Wie sprechen Sie diese Personen an?

Dabei wählen wir einen persönlichen, sehr narrativen Ansatz. Das Internet ist voll von positiven Geschichten zur Homöopathie, nach dem Motto, „Mir, meiner Oma, meinem Dackel hat es geholfen“. Mit starren Fakten kommt man da oft nicht weiter. Man muss letztlich Gegengeschichten erzählen, freundlich Informationen anbieten, ohne jemanden zu verurteilen. Das haben wir versucht und es funktioniert ziemlich gut.


Das Interview erschien im März 2019 auf der Plattform wissenschaftskommunikation.de

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Interview:
Virginia Albert
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